
„Ich haben meinen Entschluss nicht bereut. Meine neue sportliche Leidenschaft CrossFit macht mega viel Spaß und ich bin fitter als zu Bundesliga-Zeiten“, sprudelt es aus dem Mund von Nils Haßfurther, der im Mai 2021 die Bundesliga-Schuhe als 22-Jähriger an den Nagel gehängt und sich vom Profisport nach zwölf Jahren leistungsorientiertem Basketball verabschiedet hatte – zur Überraschung vieler, ja seines privaten Umfelds und der gesamten Basketball-Community. „Es hat mir einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe ihn mit der Zeit verloren. Es war nichts mehr an Freude da wie ich sie als Kind, in der Jugend und auch in der Nationalmannschaft hatte. Auch die erste Corona-Saison mit leeren Hallen war eine komische Situation“, so der Point Guard, der in der BBL 43mal für die Würzburg Baskets auflief. Nun also steht der gebürtige Bamberger nicht mehr im Basketball Scheinwerferlicht („es war eine unfassbar schöne Zeit“), sondern studiert als Dritt-Semester Sportwissenschaft in München.
Die Arenen sind für ihn ganz weit weg, sein neues Zuhause sind die Universität auf dem Olympiagelände („tolle Atmosphäre, Campus und Hörsäle sind ganz neu“) und sein privat installiertes (kleines) Gym in seiner Heimatstadt. Haßfurther ist da bestens ausstaffiert mit viel Equiment, dass er sich durch sein verdientes Basketballsalär finanziert hat.
Sein Trainingsfleiß ist weiterhin enorm: sechs Tage in der Woche mit bis zu vier Stunden. Dabei werden CrossFit-Einheiten in seinem eigenen GYM oder in so genannten Boxen abgehalten. Wer sich auf eine solche Trainingsmethode einlässt, dem steht ein knallhartes Programm („Workout“) bevor. Die Übungen sind vielfältig: Gewichte bewegen, an Ringen turnen, auf Boxen springen, im Handstand laufen, an Seilen klettern, Liegestützen und Klimmzüge, um nur ein paar markante Übungen zu nennen, welche in höchst intensiven Einheiten immer neu miteinander kombiniert werden. Hier findet er die nötigen Trainingsreize neben seinem Studium („bislang alles sehr gut abgeschlossen“), bei dem er im nächsten Semester in die Wirtschaft muss. Als Abschluss strebt der 2017er-Abiturient (mit einer „1“ vor dem Komma“) den „Bachelor of Science“ an und später womöglich den Master-Abschluss. Das finale Berufsziel („Sport war schon immer mein Leben“) kann er noch nicht exakt definieren. Haßfurther wollte nach seinem BBL-Ende unbedingt „etwas vorantreiben“ was seine akademische Ausbildung betrifft.
Aber ohne Wettkampf geht es dann doch nicht: In Rostock nahm er im August an einem der größten Fitness-Wettbewerbe in Europa teil. „Battle the Beach“ mit diversen Workouts, darunter auch Schlitten durch den Strandsand ziehen, hat ihm alles abverlangt was an Kraft und Ausdauer möglich war. Nur mit „mehr Fitness als in der BBL“ bewältigte das Kraftpaket diese Herausforderungen.
Auch wenn der Ex-Basketballer seit nun mehr gut eineinhalb Jahren keine Arena mehr betreten hat, muss er keine Sekunde überlegen welches BBL-Spiel er als Highlight einstuft. Nein es war nicht sein Zehn-Punkte-Rekordspiel gegen ratiopharm ulm am 7. November 2020, sondern der überraschende Würzburger Auswärtssieg in Bamberg ein Jahr zuvor am 26. November. „Dieser Sieg war eine Erfolgs-Premiere für Würzburg, hatte große Bedeutung und erstmals spielte ich in „meiner“ Brose Arena, wir sind dort aufs Parkett gelaufen wo ich früher als Kind saß und die Spiele live verfolgt habe“, wird dieser historischer Erfolg schnell wieder lebendig. Die Nr. 7 im Würzburger Trikot verwandelte hundertprozentig (2/2) wurde nach Spielschluss von seinem Freundeskreis samt Familie begeistert gefeiert. Kaum zu glauben, dass er dann eineinhalb Jahre später das BBL-Geschehen – trotz einiger Angebote aus dem Oberhaus – mit dem Auslaufen seines Zwei-Jahres-Vertrag auch die Profikarriere endete. In seinem letzten BBL-Jahr stand er durchschnittlich knapp 13 Minuten auf dem Feld und markierte 63 Punkte (2, 6 im Schnitt). Begonnen hatte alles noch als Grundschüler beim TTL Bamberg. Erstes Indiz für eine Karriere war die Berufung in der U13 in den Ing-DiBa-Perspektiv-Kader und den ersten deutschen Titel gewann er bereits ein Jahr später in der U14: Deutscher Meister ohne eine Saison-Niederlage! Begleitend dazu: Zwei „Stockerl“-Plätze beim Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“ mit dem Dientzenhofer-Gymnasium: Bundessieger und Vize! Die Erfolgs-Liste ging weiter: Zweiter mit der JBBL und als Vereins-„Krönung“ Meister (mit dem TSV Tröster Breitengüßbach) in der NBBL, wo er im Finale gegen Alba Berlin mit 16 Punkten zum Topscorer avancierte. Einladungen zur Nationalmannschaft U18 und U20 folgten zwangsläufig. In der U20 kam er bei zwei Europameisterschaften in Chemnitz und Tel Aviv zu bronzenen Medaillen-Ehren. Bei den Titelkämpfen in Tel Aviv avancierte er zum drittbesten deuten Punktesammler (9,9) und war bester Vorlagengeber (3, 6 Assists). Dies war sicherlich ein Meilenstein in seiner Karriere, zu dieser Zeit 2018 trug er bereits zwei Jahre lang das Trikot der Nürnberg Falcons und war längst fest in der Rotation des ProA-Teams. Im dritten Franken-Jahr war er, als Starting Point Guard, auch ein wichtiger Bestandteil (7, 5 Punkte/3,2 Assists) und mit dafür verantwortlich, dass sich die Nürnberger das BBL-Aufstiegsrecht erkämpften. Doch eine fehlende BBL-Spielstätte sorgten für den Nicht-Aufstieg und die Würzburg Baskets angelten sich den immer besser werdenden Point Guard. Bleibt festzuhalten: 74 ProA-Einsätze, 43 BBL-Spiele und um die 50 Länderspiele – eine imposante Bilanz eines 22-Jährigen, der dann die sportliche Reißleine zog.
Dass er im Basketball so erfolgreich war, daran hat Nowitzki-Mentor Holger Geschwindner gehörigen Anteil. Bereits im Alter von elf Jahren übte er mit ihm und dies dann ein ganzes Jahrzehnt ununterbrochen. „Vor dem Dallas-Titelgewinn 2011 war auch Dirk Nowitzki mit dabei“, erinnert er sich genau. Haßfurther war auch jahrelang beim legendären Ruder-Camp am Starnberger See, das Geschwindner organisierte und viele Korbjäger-Asse anzog. Alles zusammen erfreuliche Geschichte mit beeindruckenden Fakten, für Haßfurther ist der Profisport unter den Körben ganz weit weg, für ihn zählen heute Ausbildung und Fitness pur. Respekt, dass Jemand imstande ist, in jungen Jahren einen derartigen Schnitt zu machen und sich aus der BBL („Basketball ist nur eine temporäre Sache“) verabschiedet. Nicht aus Verletzungsgründen, sondern akademischen Ansprüchen!
Dieser Artikel erschien am 5.12.2022 im Fränkischen Tag (Verfasser: Bertram Wagner)